Jüdische Feste und Bräuche

Nachricht 12. April 2025

Jüdische Feste und Bräuche

Für viele Menschen ist das Judentum in Deutschland vor allem bekannt aus dem Geschichtsunterricht, den Besuchen von Gedenkstätten. Manche haben eventuell aus dem Gottesdienst oder der Predigt vom Judentum gehört. In unserer christlichen Geschichte hören wir vom antiken Judentum und dem jüdischen Jesus, von Moses und den Israeliten. Gleichfalls denken wir in der deutschen Geschichte an den Holocaust.

Allerdings ist das Judentum nicht nur eine Religion aus der christlichen oder deutschen Geschichte, sondern auch heute eine lebendige und gelebte Tradition. Nach dem Bundesministerium des Innern und für Heimat leben ca. 95.000 Juden in Deutschland. In anderen europäischen Ländern und in den USA ist die Zahl weitaus höher. Juden verstehen sich als ethnische Bevölkerungsgruppe mit einem Glauben an Gott, der sich auch nach der Zeit Jesu 2000 Jahre weiterentwickelt hat. Es gibt außerdem Juden, die zwar nicht ethnisch zur jüdischen Bevölkerungsgruppe zählen, aber zum Judentum aus rein religiösen Gründen bekehrt sind. Viele Juden leben ihren Glauben heute nach jüdischen Prinzipien und Gesetzen aus, mit Gebeten, Gottesdiensten und Feiertagen, oder auch Feste genannt.

In der Randleiste auf dieser Seite befindet sich eine Übersicht aller wichtigen jüdischen Feste, die in Verbindung mit dem Judentum als Religion stehen. Von nun an soll diese Leiste das Andreas Aktuell begleiten und Ihnen zu jeder Ausgabe einen kurzen Einblick in die Feste geben, die in den Monaten der jeweils aktuellen Ausgabe gefeiert werden. Die jeweiligen Feste werden dann kurz erläutert. Da anders als gewöhnlich der jüdische Tag am Abend beginnt und zum Abend aufhört, beginnt der Jüdische Feiertag immer an einem Abend. Das heißt die Feiertage, die wir hier mit einem Datum versehen beginnen immer am Abend zuvor.

Der jüdische Festkalender

Ganz allgemein gesagt, ist der jüdische Festkalender stark an der Natur ausrichtet. Zum einen orientieren sich die Feste an der im Nahen Osten befindlichen agrarischen Jahreszeit. Die meisten Feste haben tatsächlich agrarische Ursprünge. Zum Beispiel ist das Wochenfest ein Fest, an dem die Erstlingsernte, d.h. vor allem die Ernte von Obst, Oliven, Gerste, gefeiert wird. Zum anderen ist das jüdische Jahr ein Mondjahr. Das bedeutet, dass das die Monate des Jahres sich nach dem Mondrhythmus richten. Ein Monat hat dabei vom Neumond bis Neumond 28 Tage anstelle von im Schnitt 30 Tage unseres herkömmlichen Sonnenkalenders. Diese allgemeinen Informationen sind notwendig für das Verständnis des jüdischen Glaubens und vor allem der Feste.

 

Pessach (13.-20.04.2025, beginnt am Abend des 12.04.)

Das wohl bekannteste von allen Festen ist das Pessachfest. Dieses Fest erinnert an die jüdische Versklavung und Gefangenschaft in Ägypten und die wundersame Befreiung des jüdischen Volkes durch Gott, wie sie m 2. Buch Mose 1-15 beschrieben werden. Zentral für dieses Fest ist das sogenannte Pessach Seder („Pessach Ordnung“), ein rituelles Abendessen, bei dem alle Teilnehmenden während des Essens verschiedene Geschichten aus Bibel und Erzählungen von Rabbinern vorlesen sowie Lieder singen. Bei diesem Ritual spielt das Essen nicht nur eine nebensächliche Rolle. Alle Beilagen des Essens haben eine symbolische Bedeutung, auf die in den Erzählungen hingewiesen wird. Das Essen besteht aus bitteren Kräutern, ungesäuertem Brot, Fruchtmus, gekochtem und anschließend gebratenem Ei, Petersilie und Sellerie, vier (!) Gläser Wein, sowie manchmal Lamm- oder Hähnchenkeule. Jedes dieser Zutaten hat eine besondere Bedeutung, auf der die Erzählungen beim Essen hinweisen. Beispielsweise erinnern die bitteren Kräuter an die bittere Zeit in Ägypten. Fruchtmus erinnert an das Lehm, in dem die Israeliten herumtraten und mit dem sie arbeiteten. Der Ursprung des Festes liegt bereits im frühen Nomadentum. Das Fest läutete die Gerstenernte ein.

Das Pessachfest ist auch unter Christen schon deshalb so bekannt, weil es eines der wenigen Feste ist, die auch im Neuen Testament als „Passafest“ erwähnt werden. So findet das Ostergeschehen Jesu nach Lukas (Lk 22:1) und Matthäus (Matt 26:2) zur Zeit des Pessach statt. In der Wissenschaft gehen viele davon aus, dass das letzte Abendmahl auch im Rahmen eines Pessach Seders stattgefunden haben könnte. Diese Annahme ist allerdings nicht unstrittig.

Der Pessach Seder ist ein heiteres Abendessen, welches viel Zeit in Anspruch nimmt. Neben der Lesung der Geschichten und der Lieder werden verschiedene Rituale rund um die verschiedenen Essensbeilagen durchgeführt. Das Essensritual wird in der Regel begleitet von anderen Bräuchen. So wird das übrig gebliebene ungesäuerte Brot zum Beispiel mit Schokolade überzogen und gegessen. Viele Familien haben sogenannte Sederteller, auf denen die einzelnen Speisen hergerichtet werden. Außerdem wird immer für einen leeren Stuhl gedeckt. Dieser ist für den Propheten Elijah gedacht, von dem gehofft wird, dass er am Ende der Zeiten zurückkehrt. Für viele jüdische Kinder ist das Pessachfest ein besonderes Fest. Bei einem Pessach Seder werden Lieder gesungen, aber auch wegen des übrig gebliebenen ungesäuerten Brotes, das dann mit Schokolade überzogen wird. Grundsätzlich gilt, dass zu dieser Zeit keine gesäuerten Zutaten (Chametz genannt) im Haus sein dürfen. In Haushalten mit Kindern wird deshalb schon am Tag vor Pessach eine Suche nach gesäuertem Essen zu einem Fangenspiel. Dabei müssen dann leider auch die geliebten Spaghetti draußen übernachten.

Dr. Domenik Ackermann
ist Theologe an der Universität Paderborn. Er wurde in der Andreasgemeinde konfirmiert und hat fünf Jahre in der Andreasjugend mitgearbeitet.