Jesu Gefangennahme (Lk. 22, 45 –54)

A) Bibeltext

Dann stand er vom Gebet auf und ging zurück zu den Jüngern. Er sah, dass sie vor lauter Trauer eingeschlafen waren. Er fragte sie: »Wie könnt ihr nur schlafen? Steht auf und betet, damit ihr die kommende Prüfung besteht!« Noch während Jesus das sagte, näherte sich eine Truppe. Judas, einer der Zwölf, ging an der Spitze. Er kam auf Jesus zu, um ihn zu küssen. Aber Jesus sagte zu ihm: »Judas, willst du den Menschensohn wirklich mit einem Kuss verraten?« Da verstanden seine Begleiter, was geschehen sollte. Sie fragten: »Herr, sollen wir mit dem Schwert zuschlagen?« Und einer von ihnen schlug nach einem der Männer, die dem Hohepriester unterstanden. Er hieb ihm das rechte Ohr ab. Aber Jesus sagte: »Hört auf damit!« Er berührte das Ohr und heilte den Mann. Dann wandte er sich an die Leute, die ihn festnehmen wollten: die führenden Priester, die Hauptmänner der Tempelwache und die Ratsältesten. Er sagte: »Mit Schwertern und Knüppeln seid ihr hier angerückt! Bin ich denn ein Verbrecher? Ich war täglich bei euch im Tempel. Aber dort habt ihr keine Hand gegen mich erhoben. Doch jetzt ist eure Stunde gekommen, und die Finsternis tritt ihre Herrschaft an. Die Männer nahmen Jesus fest, führten ihn abund brachten ihn in das Haus des Hohepriesters.


B) Das Bild

• Schauen Sie sich das Bild in Ruhe an.

• Was empfinden Sie beim Betrachten?

• Wie hätten Sie diese Bibelstelle „in Szene“ gesetzt? Hätten Sie auch diesen Ausschnitt gewählt? Was wäre Ihnen wichtig gewesen.

• Wie finden Sie die Stimmung in diesem Bild? Wirkt das Bild eher ruhig oder vermittelt es eine gewisse Spannung?

C) Weiterführende Gedanken

• Jesus steht auf vom Gebet? Wissen Sie, was er gebetet hat? Was für ein Gebet hätten Sie in seiner Situation gewählt?

• Die Jünger schlafen „vor Trauer“. Ist das Ihrer Meinung nach eine Entschuldigung oder ist Jesus zu Recht enttäuscht? Warum trauern die Jünger überhaupt?

• Was ist „trauern“ für Sie? Welche Folgen kann Trauer haben?

• Die Jünger scheinen bereit zu sein, für Jesus in den Kampf zu ziehen. Warum lässt sie Jesus nicht gewähren?

• Jesus heilt eine der Wachen. Würden Sie auch so handeln? Oder ganz anders?

D) Gedanken zum Abschluss:

Für diejenigen, die etwas älter sind, tauchte diese Frage in einem anderen Gewand auf, als sie die Generation der Mütter und Großväter (in Deutschland) fragte: „Wo warst Du, als Jüdinnen und Juden in Deutschland verfolgt und später ermordet wurden?“ Und wir Nachgeborenen haben uns mit der Frage auseinandergesetzt: „Was hätten wir getan, wenn wir damals gelebt hätten?“ Entscheidend ist nicht die Antwort, die wir gefunden haben oder die wir geben könnten. Die Lehre aus unserer Geschichte ist doch, diese Frage offen zu halten und immer wieder auf die Herausforderungen der Gegenwart zu beziehen. So werden wir Heutigen uns fragen lassen müssen, was wir getan haben, damit keine Flüchtlinge mehr im Mittelmeer ertrinken, damit Kinder in anderen Teilen der Welt nicht mehr verhungern.

Gert-Axel Reuß, Pastor der Nordkirche, seit 2001 Domprobst zu Ratzeburg

Eine Audienz bei Gott? Das wäre was. Der Kabarettist Hanns Dieter Hüsch hat es vorgemacht. Er wurde sogar von Gott in den Himmel eingeladen. Das zumindest erzählt der Kabarettist in seinem Buch »Wir sehen uns wieder«. Hüsch berichtet von einer himmlischen Tournee. Inklusive Audienz beim lieben Gott. Doch für Hüsch ist das eine ziemlich unerfreuliche Begegnung. Denn Gott liest dem ziemlich kleinlauten Komiker erst mal die Leviten. Erinnert ihn an drei Geschichten aus seinem Leben: Du hast, sagt Gott zu Hüsch, mit Schulfreunden 1939 ein polnisches Dienstmädchen mit Stöcken durch den Garten gehetzt. Und du hast einen Frosch ganz langsam mit Steinen getötet. Und du hast der kranken Mutter hinterrücks den Stuhl weggezogen, so dass die gelähmte Frau auf den Boden stürzte. Was Hüsch erzählt, irritiert und berührt zugleich. Denn Hüsch erzählt davon, dass manche Schuld den Menschen nicht loslässt, dass sie sich nicht so einfach abschütteln lässt – dass Schuld manchmal nie verjährt und immer schmerzt. In den Tagen vor Ostern erzählt die Bibel auch eine Schuldgeschichte. Die Geschichte des Judas. Er hilft bei der Verhaftung Jesu mit. Für 30 Silberstücke (heute etwa 10.000€). Doch als er begreift, dass Jesus hingerichtet wird, bemüht er sich, seinen Verrat rückgängig zu machen. Zu spät. Die Geschichte geht unerbittlich weiter. Die Zeit lässt sich nicht zurückdrehen. Judas verzweifelt. Ohne große Erklärungen heißt es später in der Bibel: Judas erhängt sich. Kein Ausweg mehr. Nirgends. Auch die Judas-Geschichte irritiert mich. Ein lieber und barmherziger Gott kommt auch in ihr nicht vor. Niemand hilft Judas aus seiner Schuldgeschichte heraus, niemand steht ihm bei. Trotzdem ist die Geschichten von Hanns Dieter Hüsch und von Judas überzeugend. Denn wir erleben selbst: Schuld lässt sich nicht einfach ausradieren. Und wir bemerken auch: Es ist schwer, sich mit sich selbst und seinem Handeln zu versöhnen. Es ist schwer, mit der eigenen Geschichte ins Reine zu kommen. Da ist es tröstlich, dass der Glaube auch für Schuldgeschichten Platz hat, für Menschen wie Judas oder Hanns Dieter Hüsch. Mir sagt das: Sie kommen auch bei Gott vor. Und die Menschen finden auch bei Gott einen Platz.

Geschichte nach: Thomas Weißer, Kirche im SWR, 3. April 2007; in Bezug auf: Hanns Dieter Hüsch: Wir sehen uns wieder. Geschichten zwischen Himmel und Erde, München 1995, 103-107;